Residenz zwischen Musen und Askese
Herzebrock-Clarholz (gi). Die Verflechtungen zwischen der ehemaligen Residenz und der Stadt Rheda, zwischen dem damaligem Grafenhaus und dem bürgerlichen Gemeinwesen im 18. Jahrhundert hat der Rhedaer Stadthistoriker Hermann Schaub dargestellt. Als exzellenter Kenner der vielschichtigen Materie sprach er am Montagabend im Rahmen der Reihe „Kultur im Kapitelsaal“ in der Propstei Clarholz.
Schaubs facettenreiche Schilderung setzte ein mit dem verlorenen Prozess von 1699 vor dem Reichskammergericht- „eine Katastrophe“, wie der Redner sagte, die zum Verlust der nördlichen Territorien geführt und die Grafschaft auf den Bereich der Herrschaft Rheda zurückgestutzt habe. Seither aber sei die kleine Emsstadt immer mehr in den Mittelpunkt der Herrschaft gerückt und habe sich unter Graf Hans Adolf und seinen drei Nachfolgern zunehmend als kleine, feine Residenz etabliert. Als dann schließlich die musikalisch begabten Grafen Moritz Casimir I. und Moritz Casimir II. anspruchsvollen Konzerten und Theatergastspielen ein Forum boten, konnte ein Göttinger Professor als zeitgenössischer Chronist begeistert notieren: „Der Hof belebt die ganze Gegend.“
In seiner wiederholt mit Archivtexten und Zeitzeugenberichten unterlegten Darstellung richtete Hermann Schaub den Blick auf Struktur und Funktion der gräflichen Regierung, auf den Magistrat mit einem „herrschaftlichen“ und einem „bürgerlichen“ Bürgermeister, auf die Groß- und Kleinbürger der Stadt. Er würdigte das für jene frühe Zeit vorbildliche Gesundheitswesen, das vom angesehenen Hofmedicus Christoph Ludwig Hofmann entscheidend geprägt worden war und mit seiner Armenfürsorge auch durch soziales Engagement beeindruckte.
In einem Schlusskapitel erörterte der Historiker die kirchliche Situation in der Residenzstadt und dabei vor allem den Einfluss des Calvinismus mit seinen zum Teil rigiden Verboten, Trauer- und Kleiderordnungen, die neben Katholiken selbst Lutheranern das Leben dort häufig schwer machten. Immerhin siegte am Ende des 18. Jahrhunderts doch die Toleranz, so dass schon im Jahr 1805 mit dem Bau der ersten katholischen Kirche in Rheda begonnen werden konnte. Für den Freundeskreis Propstei Clarholz dankte dessen Vorsitzender Professor Dr. Werner Freitag dem Rhedaer Historiker mit einem Buchpräsent.