„Dagmar Chidolue stellte ihren Roman „Flugzeiten“ vor“
Dem Vater auf der Spur
Herzebrock-Clarholz (ja / ah). „Ihre überzeugend aufgezeigte Erzählung macht alte Positionen verstehbar“, dankte Professor Dr. Werner Freitag der Autorin Dagmar Chidolue, nachdem sie die Vorlesung aus ihrem Buch „Flugzeiten“ beendet hatte. Die Lesung bildete den Abschluss der Aktivitäten des „Freundeskreises Propstei“ am Tag des offenen Denkmals.
Gut eineinhalb Stunden folgten die Zuhörer im voll besetzten Kapielsaal der ehemaligen Propstei Clarholz gebannt der Geschichte des jungen Bruno, genannt Bonna, für den Fliegen zur Passion und Fluchtmöglichkeit aus (familiärer) Enge und Armut wird.
Der Zeitraum 1931 bis 1944, der Ort Sensburg, „eine kleine ostpreußische Stadt am Ende des Reiches“. Aus sechs ausgewählten Szenen veranschaulichte die Autorin die Entwicklung eines frustrierten Jugendlichen, der zwangsläufig, aber nachvollziehbar, in die „Machinerie“ des Nationalsozialismus gezogen wird und durch das Militär erlebt, dass die Welt groß und bunt sein kann.
Bonna ist der 2005 verstorbene Vater von Dagmar Chidolue. Für „Flugzeiten“ hat die Autorin ihn nach seiner Kindheit und Jugend befragt. Durch Recherchen in Archiven, Lesen von Wehrmachtsprotokollen, Nachfragen bei Verwandten und Zeitzeugen aus Sensburg überprüfte sie die Aussagen und erzählze in Form eines autobiographischen Adoleszensromans authentisch wieder. An vielen Stellen übernahm sie die ostprußische Sprache, die in einem Glossar erklärt wird.
Nach Abschluss von „Flugzeiten“ wurde Chidolue klar, dass eine Entscheidung für oder gegen den Nationalsozialismus für ihren Vater als Jugendlicher kein Thema war. Ein Verständnis, das auch für den Leser und Zuhörer nachvollziehbar wird. Der Traum, Pilot zu werden, erfüllte sich für Bonna nicht, da er bei der letzten Stufe im Eignungstest durchfiel. Diese überprüfte Tatsache gab er allerdings nicht zu.
Chdolues Vater hat das 2007 im Verlag „Fischer Schatzinsel“ veröffentlichte Buch gedruckt nicht mehr kennen gelernt. Ihre inzwischen an Demenz leidende Mutter erkannte auf dem für den titel verwendeten Jugendfoto den „doofen Bruno“, wie sie sagte. „Flugzeiten“ ist als modernes Jugendbuch geschrieben. Bonnas Geschichte stieß aber auch unter den erwachsenen Zuhörern auf großes Interesse. Viele ließen sich ein Exemplar im Anschluss von der Autorin signieren.
Dagmar Chidolue wurde 1944 in Ostpreußen geboren, wuchs aber in Gütersloh auf. In den vergangene 30 Jahren wurde sie besonders mit ihren Millie-Büchern zu einer renommierten und in viele Sprachen übersetzten Kinder- und Jugendbuchautorin. Für den Jugendroman „Lady Punk“ erhielt sie 1986 den Deutschen Jugendliteraturpreis. „Manche halten dies für mein bestes Buch; für mich ist „Flugzeiten “ das beste, weil es ein geschenktes Buch ist“, sagt die Autorin.