Rundbrief vom August 2004

Johannes Meier.
Im August 2004

Liebe Mitglieder und Freunde,

Vielleicht werden Sie diese Zeilen in den Tagen nach der Rückkehr aus den Ferien lesen. Reisen ermöglichen uns, die Welt mit anderen Augen als im Alltag zu sehen. Wir können dabei auf Spuren der Geschichte stoßen, die gedeutet, gelesen, verstanden werden wollen. Der erste Sonntag in den diesjährigen Sommerferien war der 25. Juli, der Tag, an dem im Heiligenkalender das Fest des Apostels Jakobus des Älteren steht. Immer, wenn „Jakobi“ auf einen Sonntag fällt – das geschieht sich wiederholend im Abstand von fünf, sechs und elf Jahren – , begeht man in seiner Grabeskirche, der Kathedrale von Santiago de Compostela, ein Heiliges Jahr, das besonders viele Pilger auf den weiten Weg an das westliche Ende des Abendlandes lockt. Im Mai hatten wir das Glück, an einem Abend der „Kultur im Kapitelsaal“ von José Ignacio Hernandez Toquero auf diesen Weg geführt zu werden – mit wunderbaren Bildern dieser tiefen Spur des christlichen Glaubens durch Europa und mit meditativen Klängen, die uns auf das Jahressthema einstimmten: „Lebendiges Mittelalter“.

In Clarholz begann nach Pfingsten die Umgestaltung des Hofes zwischen der Kirche und dem Konventshaus. Die neue Wegführung orientiert sich an den Achsen des mittelalterlichen Kreuzgangs, der einige Jahre nach der Säkularisation des Klosters, 1810/1811, abgebrochen wurde. Der westliche Kreuzgangflügel schloß südlich an den romanischen Turmbau der Kirche an, die Vermauerung der Außenwand ist bis heute gut zu erkennen. Der östliche Kreuzgangflügel stieß an das romanische Querhaus, und zwar an der Stelle des heutigen Katharinenfensters. Der Kreuzgang war also mit den romanischen Teilen der Kirche verbunden und wird selbst auch in den romanischen Bauformen des 12. Jahrhunderts gestaltet gewesen sein. Man kann ihn sich ähnlich vorstellen wie die erhaltenen Kreuzgänge an der Busdorfkirche in Paderborn und an der Freckenhorster Stiftskirche.

An der Ostseite des Kreuzgangs, gleichfalls an das Querhaus der Kirche und an das Konventshaus anstoßend, lag das Kapitelhaus, daneben, im Winkel zwischen Querhaus und Chor, eine Kapelle in deren Obergeschoß sich ein Zimmer für erkrankte Chorherren befand. Auch diese Gebäude sind 1810/1811 abgebrochen worden. Dabei entstanden erhebliche Beschädigungen an der Südwand der Kirche. Zufolge einer 1957 in der südlichen Apsis der Kirche aufgefundenen Urkunde hatte die Gemeinde erst 1839 die nötigen 1100 Reichstaler, um diese Schäden zu beheben.

Separat davon befand sich etwa dort, wo im 19. Jahrhundert „Pastors Scheune“ errichtet wurde und heute die Garagen stehen, das mittelalterliche „Siechenhaus“ des Klosters. Wie überall, war auch in Clarholz mit dem Kloster ein Spital verbunden, in dem Arme verköstigt wurden, vielleicht auch solche, die auf dem Weg zum Jakobusgrab waren. Gelegentlich wird das Hospital in den Urkunden des Klosters erwähnt; so erklären am 9. Oktober 1300 Propst Pilgrim und der Konvent, dass sie ihnen geschenkte Gelder für die Zwecke des Hospitals und zur Verteilung an Arme verwenden wollen (Osnabrücker Urkundenbuch IV 597). Einer der Chorherren war für die Angelegenheiten des Hospitals oder Siechenhauses verantwortlich. Er trug den Titel „Siechenmeister“. Das Siechenhaus wurde schon im 18. Jahrhundert nicht mehr genutzt.

1856 erklärte bei einer Zeugenbefragung im „Biermannschen Gasthause“ der damals 87jährige Heinrich Schürhörster (geb. 1769): „Etwa seit meinem zwölften Jahr bin ich fast täglich auf dem Kloster gewesen… Die Aufhebung des Klosters hat 1803 stattgefunden. Das Siechenhaus war damals nicht mehr vorhanden. Früher hatte ich es als ein altes, verfallenes Gebäude gekannt, und stand es in dem Winkel des s. g. Siechenhofes. Vorn war vor diesem Hof eine Mauer, welche bis an die Kirche ging. In dieser Mauer befand sich, und zwar nicht weit von der Kirche, ein gewölbtes Thor, und in diesem ein kleines Pförtchen. Jenes wurde die Kirchenpforte genannt. Das Kapitelhaus erstreckte sich von der Kirche bis an das Herrenhaus (=Konventshaus). Der Siechenhof erstreckte sich noch etwas weiter als bis zu der Stelle, wo jetzt der Laubengang ist…“

Auch in diesem Jahr gibt es also am Tag des Offenen Denkmals in der Clarholzer Klosteranlage manches so noch nicht Gesehene zu entdecken. Die äußere und die innere Klosterpforte mit ihren von Löwen bekrönten Pfeilern konnten dank eines durch unseren Schatzmeister Thomas Kunze vermittelten Engagements der Sparkassenstiftung restauratorisch instand gesetzt werden. Und die Arbeiten im Osttrakt der Propstei, wo wir ja ein kleines Museum schaffen wollen, schreiten voran; sie lassen die Großzügigkeit des barocken Baustils erahnen, machen uns freilich wegen der erheblich steigenden Kosten auch Sorgen. Bleiben Sie deshalb an unserer Seite!

Am Tag des Offenen Denkmals, Sonntag, 12. September, sind Sie zu Führungen um 11 Uhr, 14 Uhr und 15.30 Uhr eingeladen. Treffpunkt ist den ganzen Tag über der Kapitelsaal. Da dieser Sonntag der Festtag „Mariae Namen“ ist, laden wir zu einem Geistlichen Abendlob um 18 Uhr in die Kirche, wo das Ensemble „Movimento“ Musik der Marienverehrung vortragen wird. Beteiligt sind Nele Gramß (Sopran), Verona Skuplik (Violine), Hille Perl (Viola da Gamba) und Christoph Lehmann (Orgel).

Übrigens, das Katholische Kreisbildungswerk Warendorf wird in den Herbstferien 2005 eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela durchführen. Interessierte Mitglieder des Freundeskreises können sich erkundigen unter der Telefonnummer 02581-934720 (Herr Starke).

In dankbarer Verbundenheit grüßt Sie alle

 

Ihr Johannes Meier