Johannes Meier
Koblenz, im Advent 2003
Liebe Mitglieder und Freunde,
noch immer klingen in mir und vielleicht auch in manchem von Ihnen der Ambrosianische Lobgesang „Te Deum laudamus“ und die „Missa brevis in g“ in der Vertonung von Abt Nikolaus Betscher (1745-1811) nach. Was wir am Abend des letzten Sonntags des alten Kirchenjahres in der wieder in hellen Farben leuchtenden Clar-holzer Kirche hören durften, war der unvergeßliche Abschluß eines denkwürdigen Jahres, das uns den traurigen Akt der Säkularisation des Klosters vor 200 Jahren ins Gedächtnis gerufen hat.
Nikolaus Betscher war ein Zeit- und Schicksalsgenosse des letzten Clarholzer Propstes Jodokus van Oldeneel. Beide waren Prämonstratenser; der eine leitete ein Kloster in der Schwäbischen, der andere in der Westfälischen Zirkarie des Ordens. Am 5. März 1803 mußte Nikolaus Betscher die Abtei Rot verlassen, am 27. Oktober Jodokus van Oldeneel die Propstei Clarholz. Der eine starb Ende 1811, der andere Anfang 1832. Ihre Gräber sind verschwunden. Sie waren Menschen zwischen den Zeiten. Doch die Erinnerung an sie ist nicht erloschen. Dem letzten Clarholzer Propst setzte Jean Baptiste Henry, einer der vielen von ihm beherbergten französischen Flüchtlinge, ein literarisches Denkmal. Und Nikolaus Betscher spricht durch den ungebrochen frohen Klang seiner Akkorde in unsere Zeit hinein.
Sie erhalten heute unsere Jahresgabe für 2003, den Vortrag „Westfalen und die Säkularisation. Reflexionen über 1803 im Jahre 2003“, den ich am 26. April in der Paderborner Kaiserpfalz gehalten habe. Die Karte auf der Umschlagseite zeigt die alte westfälische Klosterlandschaft, die vor 200 Jahren vernichtet wurde.
Gleichzeitig bekommen Sie Kopien von Berichten und Texten, die auf die Höhepunkte der letzten Monate zurückweisen: Am „Tag des Offenen Denkmals“ konnten bei herrlichem Spätsommerwetter die Klostergärten in ihrer restaurierten Gestalt der Öffentlichkeit präsentiert werden. Sehr oft bin ich auf die Predigt angesprochen worden, die ich beim Gottesdienst im Konventsgarten hielt; das Ereignis fiel ja liturgisch mit dem Fest „Kreuzerhöhung“ zusammen. Gern lasse ich Ihnen den Wortlaut dieser Predigt zukommen.
Ende Oktober fand zum elften Mal seit 1993 „Kirchengeschichte in der Zehntscheune“ statt. Am 24., Freitagabend, wurde die von unserem Mitglied, Herrn Archivar Eckhard Möller, und unserer Beisitzerin für Kunst und Design, Frau Adelheid Eimer, entworfene Ausstellung über „das Ende des klösterlichen Lebens an der oberen Ems“ im „Haus Samson“ eröffnet. Prof. Dr. Dr. Peter Claus Hartmann sprach über „Mediatisierung und Säkularisation 1802/1803 im Heiligen Römischen Reich“. Von den sechs Vorträgen am Samstag fanden die beiden der gebürtigen Rietbergerin Dr. Erika Heitmeyer über den Gesangbuchteil des Clarholzer Bruderschaftsbuches (1761) und von Dr. Johanna Schmid (Augsburg) über das Lebensschicksal des Clarholzer Prämonstratensers Maximilian von Rantzau ab 1808 in den USA besonderes Gehör. Aber auch, was uns die Restauratorin Eva Möllenkamp über die Farbuntersuchungen im „Kaminzimmer“ unserer in der Propstei gemieteten Räume vortrug, stieß auf großes Interesse. Mit dem „Kaminzimmer“, einem der historischen Gästezimmer des Hauses, können wir inzwischen zeigen, wie es im Inneren der Propstei nach der Erbauung vor bald 300 Jahren ausgesehen hat. Hoffen wir, daß es uns gelingt, diese Arbeiten im nächsten Jahr fortzusetzen!
Mit großer Dankbarkeit darf ich an dieser Stelle einfügen, daß uns vor einigen Wochen unser Mitglied Dr. Ulf Wilbrand wertvolles Mobiliar aus dem Nachlaß seines Vorfahren, des aus Clarholz gebürtigen Mediziners und Naturphilosophen Johann Bernhard Wilbrand (1779-1846), zur Ausstellung überlassen hat.
Am Sonntag, 26. Oktober, wurde im Kapitelsaal ein von Jochen Ossenbrink und mir herausgegebenes Buch vorgestellt: „Leben unter dem Krummstab. Die Kirchspiele Clarholz, Lette und Beelen im 18. Jahrhundert“. Es ist im Buchhandel für 29 Euro, in den Geschäftsstellen der Volksbank in Clarholz, Lette und Beelen für 15 Euro zu erhalten. Auch darüber finden Sie in der Anlage Näheres. Da es die Vigil des 200. Jahrestages der Vertreibung des Konvents aus dem Kloster war, verlas ich bei der Matinee das darüber in den Akten des Reichshofrates in Wien erhaltene Protokoll. Weil nach dieser Quelle ebenfalls mehrfach gefragt wurde, lege ich Ihnen eine Abschrift bei, die Herr Ossenbrink angefertigt hat.
In kleinerer Zahl haben wir uns am folgenden Montag im Kapitelsaal zu einem Gottesdienst versammelt, um der Vorgänge vor 200 Jahren zu gedenken. Unser Mitglied, Kaplan Martin Klüsener, hatte die beiden Teile der Liturgie unter die Themen „Klage“ und „Dank“ gestellt und damit die Lesung von 1 Makk 1,20-28 und Rom 12,9-21 verbunden. Sonnenstrahlen tauchten den Kapitelsaal an diesem Morgen in helles Licht und trugen unsere Gebete über die Schwelle der Zeit. Was Unrecht war, wird Unrecht bleiben. Aber, wie Martin Buber sagt: Mit der Erinnerung beginnt das Leben. Und: Erinnerung ist das Geheimnis der Versöhnung.
Ihnen allen wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen zuversichtlichen Beginn des Jahres 2004,
Ihr Johannes Meier
P. S.: Unser Mitglied, Prof. Dr. Erich Garhammer, hat im Sommer einen Artikel über Jodokus Temme in der „Neuen Zürcher Zeitung“ entdeckt. Auch diesen bemerkenswerten Lesestoff möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Und noch etwas: Wegen unseres umfangreichen Programms war 2003 für den Freundeskreis ein teures Jahr. Wiewohl wir wissen, wie knapp zur Zeit überall das Geld ist, möchten wir doch gerade jetzt fragen, ob Sie uns mit einer Spende bedenken könnten. Die Bescheinigungen für das Finanzamt wird unser Schatzmeister im neuen Jahr gern versenden.