Lesung über Jodokus Temme
Gruselstories und Liebesromane
Herzebrock-Clarholz (gl). Kriminalgeschichten, Gruselstories, Liebesromane: Alle Genres der Unterhaltungsliteratur seiner Zeit hat Jodokus Donatus Temme (1789-1892) bedient. Wenn er seine Geschichten in der damals weit verbreiteten „Gartenlaube“ veröffentlichte, musste er sich stilistisch auf den Massenbedarf einstellen.
Mit diesem Hinweis auf die literarische Eigenart des aus Lette stammenden, mit Clarholz und seinem Kloster eng verbundenen Autors leitete Hedwig Herting-Droste (Siddinghausen) ihren Temme-Leseabend ein. Einleitend hatte Professor Dr. Johannes Meier das Geschehen eingebunden in die Vita des Schriftstellers und Politikers, dessen Vater Amtmann des Klosters war.
Nach dem Verlust seines Staatsamts hat Temme nie einen Hehl daraus gemacht, dass die klingende Münze für ihn das wesentlichste Schreibmotiv war. Das belegte auf überzeugende Weise Hedwig Hertings Lesung aus der vergilbten Nummer 14 der „Gartenlaube“ von 1866. Darin findet sich die zwischen Gruselstory und Kriminalroman pendelnde Geschichte „In der Propstei“, deren spannende Handlung sich um einen mysteriösen Diebstahl und seine überraschende Aufklärung dreht und die nachvollziehbare Details der Clarholzer Örtlichkeit trägt.
Ebenfalls im heimischen Umfeld bewegt sich Jodocus Temme mit seiner historisch-romantischen Novelle „Der letzte Burggraf von Stromberg“. 1922 war im Verlag E. Holterdorf in Oelde die anrührende Burggeschichte erschienen. Aus dieser kleinen bibliophilen Kostbarkeit wählte die engagierte Vorleserin einige wesentliche, besonders spannende Passagen aus. Sie schildern in einer Mischung aus gesicherten geschichtlichen Fakten und dichterischer Phantasie unter anderem die Verkündung der Reichsacht, die auf Betreiben des Bischofs Florenz von Münster über den widerspenstigen Vasallen verhängt worden war.
In dem dramatisch bewegten Lesevortrag wurden die Zuhörer Zeugen der verzweifelten Schlachten, mit denen sich der „wilde Johann“ als Letzter der Stromberger Burggrafen gegen die münsterische Übermacht zur Wehr setzte. An den Schluss aber stellte Temme nach dem Auftritt des geheimnisvollen schwarzen Ritters und den verbluteten Gefallenen die versöhnliche Idylle: „Der Stromberg, ehemals der Schrecken der Umgebung und eine starre drohende Steinmasse, hinter der man auf Raub und Fehde sann, ist jetzt Westfalens romantischer Eden, wo Friede, Eintracht und sanfte Sitte wohnen.“ Wenn auch zweieinhalb pausenlose Lesestunden des Guten zuviel waren, so hatte Hedwig Herting-Droste mit ihrer Auswahl den Zuhörern in dankenswerter Weise doch einen Begriff vermittelt von einer der interessantesten literarischen Erscheinungen der heimischen Region.