Aus „Die Glocke“ vom 11.11.2002

Volkskunde erforscht Kreuze, die an Unfallstellen stehen

Herzebrock-Clarholz Mit einem Phänomen, das seit etwa 15 Jahren auch hierzulande mit zunehmender Tendenz zu beobachten ist, befasste sich Dr. Christina Aka. Sie hielt den Eröffnungsvortrag „Unfallkreuze und Wegekreuze am Straßenrand“ der Reihe „Kirchengeschichte“ im Clarholzer Konventsgebäude.

Die münsterische Volkskundlerin stellte in Lichtbildern zahlreiche solcher Mini-Gedenkstätten unserer Umgebung vor, wie man sie allenthalben am Straßenrand in unterschiedlichster Ausstattung antrifft. 250 Unfallkreuze haben die Mitglieder der Volkskundlichen Kommission allein in Westfalen-Lippe ausgemacht, und jede Woche steigt deren Zahl um mindestens ein weiteres Kreuz.

Als Motiv für die Ausstellung solcher Male, die auch mahnen sollen und vorwiegend von jüngeren Menschen und Freundeskreisen aufgestellt werden, nannte Dr. Aka den Impuls unmittelbar nach der Todesnachricht, das Ventil im Zustand des Schocks. Sie sollen den Betroffenen helfen, den Schmerz zu überwinden.

Damit werden, so die Volkskundlerin, Straßen- und Wegekreuze zu Erinnerungsstätten, durchaus auch ohne Gott und Religion, so dass bei ihrer Einrichtung oftmals eine Art „Patchwork“-Religion motiviere. Unfallstätten seien Orte der Biografie des Verunglückten, erhielten die Funktion eines mythischen Platzes, eines anonymen Kondolenzortes, an dem Kuscheltiere und andere Erinnerungsstücke deponiert werden.

Die Vortragende zog abschließend Parallelen zur christlichen Symbolik der in Westfalen weit verbreiteten Flurdenkmale und Bildstöcke christlicher Motivation und vermochte nicht, die Straßenkreuze der Rubrik geordneten Brauchtums zuzuweisen. In der Begrüßung, der sich als Mitveranstalter auch die VHS Reckenberg-Ems anschloss, nannte Moderator Prof. Dr. Werner Freitag das Anliegen der gegenwärtigen Vortragsreihe, Vergangenheit lebendig zu machen sowie religiöses und profanes Brauchtum in seinen wechselseitigen Beziehungen zu erörtern.

Für die VHS sprach ihr stellvertretender Leiter, Arnold Bergmann, Bergmann Begrüßungsworte.