Unter der Herrschaft von Grafen und Äbten
Herzebrock-Clarholz (gl). Gleichsam als Schnelldurchlauf seiner vor zwei Jahren in Buchform erschienenen Untersuchungen über die ländliche Gesellschaft im 18. Jahrhundert hat Jochen Ossenbrink auf einer Veranstaltung des Freundeskreises Propstei Clarholz am Donnerstagabend in der alten Abtei ein bewegendes Kapitel heimatlicher Orts-, Kirchen- und Höfegeschichte aufgeblättert.
Dabei erwies sich der Historiker erneut als kompetenter Kenner der vielfältig komplizierten politischen, wirtschaftlichen und soziologischen Verhältnisse in der ehemaligen Herrschaft Rheda und der ihr zugehörigen katholischen Kirchspiele um 1800. Die landständischen Institutionen Propstei Clarholz, Abtei Herzebrock und Abtei Marienfeld innerhalb der reformierten Herrschaft Rheda kennzeichnete er als Sonderfall der damaligen Reichsgeschichte.
Seiner Darstellung der rhedaischen Landesverwaltung und ihrer Bediensteten, auf deren Gehaltslisten 15 Soldaten ebenso erscheinen wie zwei Schornsteinfeger, schloss der Referent die ausführliche Erörterung des Verwaltungsaufbaus der geistlichen Institutionen in ihrer strengen Gliederung zwischen Äbten, Konventualen, niederem Adel, bürgerlicher und bäuerlicher Laien an ihren jeweils getrennten Tafeln an. Als Besonderheit der Regionalgeschichte wies Ossenbrink auf die wirtschaftlichen Erfolge der konfessionell gemischten Herzbebrocker Familie Pavensted/Funke, die es als Bremer Kaufleute zu großem Reichtum brachte, ebenso hin wie als ein Beispiel für viele ähnliche auf die bewegte Familiengeschichte der Letter Westhofs.
Aller Respekt aber gebührt rückblickend auch heute noch der frühzeitigen Nächstenliebe der Clarholzer, die rund 2000 aus ihrer Heimat vor der großen Revolution geflohenen französischen Emigranten Asyl geboten hatten. Insgesamt ergaben Jochen Ossenbrinks Untersuchungen das Bild extremer sozialer Ungleichheit zwischen den bäuerlichen Ständen, die auf ihre Weise allesamt mehr oder weniger durch Abgaben und Dienste gegenüber der Grundherrschaft und der Kirche belastet waren.
Für den Freundeskreis Propstei Clarholz dankte Professor Dr. Werner Freitag dem Referenten für seine mit Fotos, Tabellen und Karten unterlegten Darstellungen mit einem Buchpräsent. Dem Vortag vorgeschaltet war eine Besichtigung der ehemaligen Kellnerei des Klosters, deren Wiederaufbau bereits deutliche Fortschritte macht.