Kultur im Kapitelsaal
Zehn singende Damen
Herzebrock-Clarholz Die Pröpste des ehemaligen Klosters Clarholz nutzten ihren Kapitelsaal als einen Ort des Gebetes, durchaus aber auch der profanen Geselligkeit, während an ihrer Tafel der Rheinwein reichlich floss. Mit dem Zitat eines entsprechenden Berichtes von Jodokus Donatus Temme verwies Prof. Dr. Werner Freitag auf die doppelseitige Verwendung eben dieses Raumes, als er namens des Freundeskreises Propstei Clarholz e. V. die zahlreich erschienenen Gäste begrüßte.
Nun wurde der Kapitelsaal wiederum Ort eines ungewöhnlichen musikalischen Ereignisses: Das Vokalemsemble „Canta filia“ begeisterte mit einem Programm „Romantisches und Liederliches“, das Liedkunst des 19. Jahrhunderts effektvoll mischte mit den Tönen und Rhythmen moderner U-Musik. Dabei bestätigten die zehn Damen des 1992 von Barbara Grohmann (Rheda-Wiedenbrück) gegründeten und seither geleiteten Ensembles den ausgezeichneten Ruf, der ihm vorauseilt.
Den Auftakt bildeten fünf Terzette von Fanny Hensel-Mendelssohn zu Texten romantischer Poesie, wie sie die hochbegabte Schwester des berühmten Felix Mendelssohn-Bartholdy einst in Sonntagsmusiken im Gartensaal des elterlichen Berliner Palais vortrug. Schon dieser Beginn mit so gegensätzlichen Werken wie dem ausdrucksvoll-getragenen „Wandl‘ ich indem Wald“ oder der Stakkati des „Abschied“ bewies alle Tugenden und Möglichkeiten der Sängerinnen: vortrefflich geschulte Stimmen, makellose Artikulation und Wortverständlichkeit, die Sauberkeit vielfältig verschlungener Polyphonien. Das homogen abgestimmte Ensemble, in dem die Soprane immer wieder bisweilen allerdings auch allzu kräftig – die Stimmführerschaft übernehmen, war auch bei den „Romanzen für Frauenstimmen und Klavier“, op. 69 verlässlich zur Stelle. Dabei beeindruckte es im wiegenden Rhythmus der „Soldatenbraut“, vor allem aber in den verschlungenen Linienführungen des Doppelkanons „Droben steht die Kapelle“.
Ihr Vortrag führte auch Robert Schumanns Skepsis gegenüber dem eigenen Frauenchor, dem man seiner Meinung nach „nicht allzu viel Kreuze und b“ zumuten dürfe, rasch ad absurdum. Drei romantisch-gefühlvolle Vorträge aus dem Zyklus „Lieder und Romanzen“ op. 44 von Johannes Brahms geleiteten die Zuhörer in die Pause, ehe der zweite Teil ganz andere frische Akzente setzte.
Wer hätte denn wohl je den DDR-Propaganda-Komponisten Hanns Eisler so liebenswürdig, so scheinbar kindlich und dabei doch witzig pointiert und ironisch vernommen wie in seinen in der Emigration entstandenen kleinen Stücken aus dem „Woodburry Liederbüchlein“? Hier offenbarte sich A-capella-Kultur vom Feinsten.
Hierauf setzten die Sängerinnen um die behutsam dirigierende Mentorin noch eins drauf. Waren die Damen zunächst in langen Roben aufgetreten, so boten sie nun im eleganten Schwarz der Hosenanzüge einen neuen apparten Anblick. Da standen denn so temperamentvolle Songs wie die „Beauty-Shop-Memories“ mit Ohrwürmern á la „Once on a while“ und „Rain“ ebenso auf dem Programm wie der unverwüstliche „Mister Sandman“. Die Freude des Publikums äußerte sich im herzlichen Beifall, der auch den zurückhaltend begleitenden Pianisten Hans Hermann Lansen mit einbezog.