Aus „Die Glocke“ vom 14.05.2003

Wilbrands Ideen aktueller denn je

Herzebrock-Clarholz (gl). Die Veranstaltungswoche „Kultur im Kapitelsaal“ in Clarholz, initiiert durch den Freundeskreis Propstei, begann am Montagabend mit einer interessanten Veranstaltung, in der Johann Bernhard Wilbrand, Naturphilosoph und Physiologe im 19. Jahrhundert, im Mittelpunkt stand.

Dr. Christian Maaß aus Herborn, Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, war bei seinen Studien auf diesen Wissenschaftler gestoßen, der auf der Suche nach dem einenden Prinzip gewesen war, einer ganzheitlichen Schau auf den Menschen, einer heute wieder hochaktuellen Diskussion über das Verhältnis Apparate-Medizin und Naturheilverfahren.

Hedwig Herting-Droste aus Siddinghausen – sie hat früher in Clarholz gewohnt – hat sich besonders mit der Lebensgeschichte Wilbrands beschäftigt. Sie zitierte aus der Autobiographie von 1831 und zeichnete auf einfühlsame Weise ein Bild von den äußerst schwierigen Lebensumständen einer im Umbruch befindlichen Zeit.

Johann Bernhard Wilbrand wurde 1779 auf einem kleinen Rotten in der Bauernschaft Samtholz in ärmlichsten Verhältnissen geboren. Der Pfarrer in Lette entdeckte im Kommunionunterricht das Talent des kleinen Jungen und bereitete ihn auf den Besuch einer höheren Schule in Münster vor. Damit wurde der beispiellose Werdegang von einem leibeigenen Kötterssohn zum Professor begründet: Studium der theoretischen medizinischen Fächer in Münster, der praktischen in Würzburg und Bamberg, Studien bei Cuvier und Lamarck in Paris, 1806 Promotion zum Dr. med., 1807 Privatdozent in Münster, 1809 Professor in Gießen für Anatomie, Physiologie und Naturgeschichte, 1817 Professor für Botanik und Naturphilosophie, Direktor des Botanischen Gartens. 21 wissenschaftliche Werke bezeugen Wilbrands Schaffenskraft.

Hedwig Herting-Droste und Dr. Christian Maaß beleuchteten jeweils aus ihrer besonderen Sicht diesen für seine Zeit bedeutenden Wissenschaftler. Dafür zwei Beispiele: Goethe hatte in seinem Arbeitszimmer eine Karte hängen, die den Versuch Wilbrands darstellte, ein einheitliches Weltbild naturphilosophischer Art zu zeichnen. Es sind im Familienarchiv Wilbrand mehrere Handschriften Goethes erhalten, in denen er sich für die Sendung wissenschaftlicher Bücher bedankt. Einer der bekanntesten Studenten Wilbrands war Georg Büchner. Im Woyzeck hat er seine Erfahrungen mit den Naturwissenschaften der damaligen Zeit verarbeitet, allerdings in einer für ihn typischen kritischen Weise.

Zum Schluss der Veranstaltung bedankte sich der Vorsitzende des Freundeskreises Propstei Clarholz, Professor Johannes Meier, für die interessanten einfühlsamen Referate, für einen Abend, der zu weiterem Studium „des Genies Wilbrand“ anrege.

Die nächsten Veranstaltungen der Reihe „Kultur im Kapitelsaal“: Mittwoch, 20 Uhr, Konzert des Trio d’anches (Köln), Freitag, 15 Uhr, Radtour auf den Spuren des Jodokus D.H. Temme.