Aus „Die Glocke“ vom 15.05.2002

Klostergeschichte
Priester auf der Flucht fand in Clarholz sein Exil

Herzebrock-Clarholz (gl). Als 1789 in Frankreich die Revolution ausbrach, ging es nicht nur dem Adel an den Kragen. Auch die kirchlichen Strukturen wurden zerschlagen und Priester ins Exil vertrieben, wo sie als politische Flüchtlinge aber zuweilen wenig willkommen waren.

Ein solches Flüchtlingsschicksal stellte Bernward Kröger, Kirchenhistoriker an der Katholischen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, vor. Anhand des Reisetagbuchs eines Priesters aus dem nordfranzösischen Ressons, der im Kloster Clarholz Zuflucht fand, konnte Kröger nicht nur dessen Einzelschicksal genau rekonstruieren, sondern auch in einen umfassenden Kontext stellen.

1792 floh der 50-jährige Abbé Jean Baptiste Henry aus seiner Dorfgemeinde vor den Unbilden der Revolutionsregierung. Er suchte zunächst Schutz in England, dann in Belgien, bis er schließlich nach Münster gelangte. Dort wurde er wie viele geistliche Exilanten weiter nach Paderborn verwiesen. Auf dem Weg dorthin machte er in Clarholz Halt, wo er vom Propst des Klosters mit offenen Armen aufgenommen wurde. „Der herzliche Empfang ließ alle Reisebeschwerden vergessen“, schrieb Henry dankbar über diese Gastfreundschaft, die damals keine geringe Herausforderung für die Gesellschaft bedeutete. So betrug allein die Zahl der geistlichen Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung von Borken 5,2 Prozent, die weltlichen Flüchtlinge nicht mitgezählt.

Henrys zehnjährige Odyssee lässt sich in seinem Tagebuch, das er von Anfang seiner Flucht 1792 bis 1797 führte, exemplarisch nachvollziehen. Erst 1800 allerdings beginnt Abbé Henry mit dessen Überarbeitung. Die Frage, was den Priester drei Jahre nicht zur Feder greifen ließ, konnte Bernward Kröger in seinem akribisch recherchierten Vortrag argumentativ höchst überzeugend darstellen.

1797, so stellt Kröger dar, gerät durch einen Staatsstreich die allmähliche Annäherung von Staat und Kirche wieder ins Stocken. Aus dem Exil zurück kehrenden Priestern droht im Extremfall der Tod. Offensichtlich bestand für Abbé Henry wenig Aussicht, seine Heimatgemeinde noch einmal wiederzusehen, was ihm wohl die Motivation des Schreibens nahm. Erst als ein 1800 zwischen Napoleon und dem Vatikan beschlossenes Konkordat für Sicherheit sorgt, schien wieder Hoffnung bei dem Priester aufzukeimen. Der führt nun aber sein Tagebuch mit neuer Motivation fort, was etwa an nachträglich eingefügten politischen Kommentaren deutlich wird, und schneidet es somit auf einen neuen Leserkreis zuschnitt: den Bewohnern des Klosters Clarholz, dem er das Tagebuch zum Abschiedsgeschenk machte, wie Bernward Kröger vermutet.

Am 22. Mai 1802 verlässt der Abbé Clarholz, kann aber in der zerstörten Kirchenanlage von Ressons seinen Dienst nicht mehr aufnehmen, und stirbt 1813 als Pfarrer im in der Nähe gelegenen Valdempierre.

Als „bewegendes Lebensschicksal in der Nachfolge des Herrn“, charakterisierte Professor Johannes Meier die Dissertations-Arbeit Bernward Krögers, die bald im Druck erscheinen soll.

Matthias Gans


Profundes Referat:Bernhard Kröger (links) hielt im Kapitelsaal des Clarholzer
Klosters einen Vortrag über französische Exil-Geistliche, unterstützt von seinem
Doktorvater Prof. Johannes Meier.