Aus „Neue Westfälische“ vom 13.05.2004

Im Dialog mit der alten Musik
Kultur im Kapitelsaal in Clarholz: Countertenor und Saxophonquartett

Herzebrock-Clarholz (ja). „Im Dialog mit der alten Musik“ führten im Kapitelsaal der Probstei Clarholz das Saxophonquartett „Pindakaas“ und der Countertenor Joachim Diessner in die musikalische Welt der Renaissance und des Barock ein. Die ebenso un- wie außergewöhnliche Kombination des Musikprogramms, der Instrumente und der Solistenstimme begeisterten das Publikum. Dank der humorvollen Moderation von Matthias Schröder (Baritonsaxophon), unterstützt durch Guido Grospietsch (Altsaxophon), bekamen die Musikstücke einen historischen Kontext, Inhalt und Melodie wurden verständlich.

Den Auftakt machte das Saxophonquartett mit vier französischen Liedern aus dem frühen 15. und 16. Jahrhundert. Zu Beginn noch geprägt durch den 100-jährigen Krieg zwischen England und Frankreich (1338-1453), erhielt das „Din Din“ (Frankreich 15. Jahrhundert) als Glockenklang zu Friedenszeiten eine besondere Bedeutung, die als Zugabe nach dem Konzert noch einmal wiederholt wurde, diesmal mit englischem Text gesungen von Joachim Diessner.

Das Repertoire des zu den renommiertesten Countertenören Europas zählenden Joachim Diessner reicht vom Mittelalter bis zur Moderne. Bei dem Konzert im Kapitelsaal trat er in den stimmlichen Dialog mit dem Saxophonquartett und Liedern von Henry Purcell sowie John Dowland. Vor dem Hintergrund, dass John Dowland (1562-1626), der als reisender Musiker von Hof zu Hof in England, Frankreich, Deutschland, Italien und Dänemark zog, seinerzeit als bester Lautenspieler Europas galt und seine Lieder mit Lautenbegleitung gesungen wurden, erhält das Experiment der instrumentalen Umbesetzung auf Saxophon eine besondere Dimension.

Als sich der Kölner Joachim Diessner und das Saxophonquartett vor drei Jahren zum Projekt „Dialog mit der alten Musik“ zusammenfanden, war er zunächst skeptisch, dann vom Zusammenklang überzeugt, meinte Matthias Schröder. „Pindakaas“ (zu deutsch Erdnussbutter) gibt es seit 1990. Alle Interpreten stammen aus verschiedenen Orchestern aus dem Ruhrgebiet. Ihr Repertoire umfasst die klassische Musik und basiert auf Themen. „Unser Ziel ist, mit dem Saxophon Musik zu spielen, die man nicht mit diesem Instrument erwartet“, erläutert Matthias Schröder und zitiert Hector Berlioz, der das um 1840 entwickelte Saxophon als das menschlichste der Instrumente beschrieben hat, da es der menschlichen Stimme ähnelt. Ob nasal oder metallisch, mit dem Saxophon kann man sehr viele unterschiedliche Klänge erzeugen, zeigt sich Matthias Schröder begeistert von dessen großer klanglicher Spannbreite.

Die zeigte sich am Dienstag Abend bei der Interpretation von Renaissance- und Barockmusik ohne Effekte und Vibrato. „Semper Dowland, semper dolent“ umschrieb Matthias Schröder die „süße Melancholie“ der Lieder John Dowlands, die Joachim Diessner mit seiner besonderen Stimme und dramatischem Ausdruck interpretierte. Guido Grospietsch leitete das Lied „Flow my Tears“ mit einem Gedicht von Else Lasker-Schüler stimmungsvoll ein, ebenso wie das schlüpfrige „Fine knacks for Ladies“ mit einer Beschreibung des Kusses von Paul Fleming (1609-1640).

Eine besondere Herausforderung bedeutete für den Countertenor der instrumental und stimmlich staccativ vorgetragene „Cold Song“ aus der Oper „King Arthur“ von Henry Purcell.